Ich war in der Schule eins von diesen brav sitzenden Kindern, die die Schule geliebt haben. Vor allem den Deutsch-Unterricht. Wörter so zusammenzustellen, dass sie ein Ganzes ergeben ist mir leicht gefallen und ich hätte es den ganzen Tag tun können – gute Noten inklusive. Ganz besonders gemocht habe ich die Argumentation: so zugänglich, so logisch. Man musste keine komplexen literarischen Zusammenhänge verstehen, interpretieren und dann neu wiedergeben. Man musste nur eine Pro- und Contra-Liste machen, sortieren, alle Argumente vorbringen und dann mit der eigenen Meinung, der Conclusio anschließen. Ich kann mich noch erinnern : Rauchverbot war so ein Thema. Und die neue Rechtschreibung. Und das Schulsystem. Zu allem hab ich gesammelt und geäußert.
Und heute? Heute ist mir die eigene Meinung oft abhanden gekommen. Begraben unter zu vielen Ratgebern, die ich gelesen haben und zu vielen Menschen, die sich so toll zeigen, dass ich wie sie sein möchte. Und Respekt hab ich auch gelernt. Vor den Meinungen und Gefühlen anderer. Eine gefährliche Zutat für einen Angsthasen wie mich, der vor allem gemocht werden mag. Aber so ganz meinungsfrei mag ich auch nicht mehr sein. Ich mag mich wieder hören, beim Denken und Sprechen. Mag wieder Meinungen sammeln und abwägen und dann eigene äußern. Mich wieder befreien von allen guten Ratschlägen die ich im Schlaf aufsagen kann und die mich auch schläfrig machen. Oder schlaflos.
Drum fang ich gleich an: Meinung ist toll, Ratgeber sind blöd. Und beim nächsten mal kommt das vielleicht schon etwas ausgereifter argumentiert.