In meiner Schreibbücher-Kollektion sitzt seit gut zwei Jahren ein dickes, helles Buch mit blauer Schrift. Es heißt „Federleicht“, ist von Autorin Barbara Pachl-Eberhardt und eins der praktischsten und inspirierendsten Schreibbücher die ich besitze. Pachl-Eberhart hat selbst eine bemerkenswerte Geschichte mit dem Schreiben, die traurig begann. Bei einem Autounfall vor vielen Jahren hat sie ihren Mann und ihre beiden Kinder verloren, das Schreiben hat sie danach gerettet, wie sie selber sagt. Und es ist beeindruckend, wie lebensfroh, kreativ, ja fast ausgelassen sie in ihrem Buch über das Schreiben philosophiert und gleichzeitig praktische Übungen gibt. Eine ganz bestimmte, sehr lange und aufwendige Übung ist auf den letzten Seiten erklärt, und um die soll es hier gehen: Den Schreibtag.

Warum ein Schreibtag?

Doch zuerst: Warum einen ganzen Tag nur schreiben? Ist das nicht zu viel? Wer im Newsletter mitliest weiß, dass ich dieses Jahr den Vorsatz habe, meine vielen, vielen Ideen, die in iNotes und dicken Leuchtturm-Notizbüchern verstauben Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen. Eine dieser Ideen war eben der Schreibtag nach Barbara Pachl-Eberhart. Als ich das Buch nach dem Kauf gelesen hab, dachte ich „Den will ich mal machen!“. Dann ist Zeit vergangenen, neue Bücher sind gekommen und neue Ideen. Und wenig Umsetzung. Darum diesen Jänner: Los gehts! Es war gar nicht so leicht, einen kompletten Tag – ich wollte von 08.00 bis 22.00 Uhr Zeit haben – freizuschaufeln bzw. mich selber ernst genug zu nehmen und ihn frei zu halten. Sehr laut immer wieder die Stimme, doch zumindest irgendetwas „Produktives“ an dem Tag einzuplanen. Aber auch das ist mir gerade wichtig, manchmal auszubrechen aus dem scheinbar Sinnvollen, Wichtigen und etwas zu machen, nur weil ich Lust darauf habe.

Wie schaut der Schreibtag aus?

Der Schreibtag nach Pachl-Eberhart besteht aus 25 kreative Schreibübungen, die aufeinander aufbauen. Es beginnt mit Einstimmung und Widmung zum Tag gefolgt von vielen, vielen Übungen, die auf unterschiedliche Weise sich selbst und das eigene Leben beleuchten. Verschiedene Techniken wie Briefe, Listen und Freewritings aber auch lyrische Kurzformen kommen zum Einsatz. Wen das jetzt abschreckt: Die Übungen sind so lustvoll und simpel erklärt, es braucht wirklich keine Vorkenntnisse oder besonders etablierte Schreibpraxis, damit man den Übungen folgen kann. Und es gilt wie immer: Was rauskommt, passt und ist eben genau das, was im Moment wichtig ist.

Zwischen Lust und Frust – Mein Erlebnis vom Tag

Ich bin eine unglaublich ungeduldige Person und kann mich schwer auf Dinge festlegen. Deshalb bin ich an diesem Tag, den ich wirklich von 08.00 bis fast 22.00 Uhr genutzt habe zum Schreiben, ständige zwischen Euphorie, weil ich das wirklich durchzog und Frust, weil ich keine Lust mehr oder irgendeine andere Idee hatte, hin- und hergependelt. Aber ich hab mir im Notizbuch selber gut zugeredet und einfach weitergemacht.
Nach den ersten paar Übungen, zu denen ich mich fast überredet hab, kam dann bald ein Flow-Gefühl. Bis zum Mittagessen am frühen Nachmittag war ich tief versunken und hab mehrmals der Versuchung widerstanden, meine Mails oder Social Media zu checken oder irgend etwas im Studio aufzuräumen, zu gießen oder zu verbessern.
Die meisten Übungen mochte ich richtig gern, es war nur eine dabei, zu der ich in dem Moment so gar nicht inspiriert war, aber auch die habe ich erledigt. Mehr aber auch nicht. Tief berührt war ich dafür von den beiden Briefen, einer an eine ältere Person und einer aus der Perspektive, als wäre ich schon 101. Briefe, als Schreibübung oft „Unsent letters“ genannt, also Briefe der nie abgeschickt werden (können), genannt, haben mich schon oft positiv überrascht und auch dieses Mal voll ihre Wirkung entfaltet.
Was sich außerdem ergeben hat, sind ein paar Skizzen und ein recht konkreter Entwurf für einen Kolumnen-Text, die alle nichts mit dem Schreibtag zu tun haben. Ich war einfach so im Flow und wollte den Ideen unbedingt nachgehen. In meiner Mittagspause hatte ich nämlich den Fokus-Fehler gemacht, dann doch mal E-Mails zu lesen. Das hat mich auf eine interesssante Fährte geführt, der ich einfach nachgehen musste und danach hatte ich erstens schlechtes Gewissen und zweitens musste ich die Gedanken zum eben Erlebten notieren.
Eine von zwei Lieblingsübungen: Zeichnen mit einem bestimmten Impuls und dann schreiben. Die war magisch.
Hier noch ein paar Auszüge aus den Notizen über den Schreibprozess an dem Tag:
  • „Ich schaue auf die Uhr und bin enttäuscht: 13:13 Uhr. Schaffe ich heute wirklich nur diese eine Sache?“
  • „13.47 – Ich fühle zum ersten Mal Panik, wie schnell mein Tag vergeht. Ich hatte noch kein Mittagessen“
  • „Es wird dunkel und ich werde wehmütig: Was bringe ich heute Herzeigbares heim?“
  • „Nicht fudeln. Ich wiederhole: Nicht fudeln!“ („fudeln“ ist unser Familienwort für sinnloses, automatisches Social Media Scrollen)
  • „Mir geht ein bisschen die Luft aus, ich bin froh, wenn es vorbei ist!
  • „Vertrau auf dich und deine Ideen. Und mach sowas bald wieder.“

Auf den grünen Post-Its habe ich während dem Schreiben meinen innere Prozess dokumentiert.

Erkenntnisse und Ergebnisse

Zuerst einmal die Hard Facts:
  • Am Ende des Tages hatte ich 65 vollgeschriebene Seiten, aufgeteilt auf zwei Notizbücher, das eine ist mittendrin voll geworden, was mir Ordnungs-Freak kurz zuwider war aber hey, so ist das, ich habs überlebt.
  • Der Tag hat mir ingesamt 10,5 Schreibstunden (schreiben, blättern, kleben, malen….) beschert, außerdem 1,5 Stunden Spaziergang dazwischen und gut eine Stunde Mittag- bzw. Abendessen, beides war richtig nötig, sonst wäre mir die Luft ausgegangen. Die Anregung zum Spaziergang kommt sogar im Übungsablauf vor.
  • 25 absolvierte Schreibübungen habe ich danach gezählt, wobei ich viele Lieblinge (wieder-)entdeckt und Aha-Momente, Schmunzler und berührte Gedanken durchlebt habe.
Erkenntnisse über mich und das Schreiben haben sich natürlich auch einige ergeben. Über das Schreiben, wie zu erwarten: es ist einfach toll! Es kommt immer etwas Spannendes heraus und speziell die Übungen, auf die man zuerst keine Lust hat sind oft die, die das meiste bewegen. Ansonsten ist mir recht schnell klar geworden, dass es zwar auch um den Schreibtag geht, vor allem aber wirklich um dieses Durchziehen von einem großen Unterfangen, das schon lange als Idee schlummert. In der Vorfreude sind Dinge in meinem Kopf oft sehr glanzvoll, dass es Kraft und Einsatz braucht, sie dann tatsächlich umzusetzen, blende ich gerne aus. Dem intensiv zu begegnen und trotzdem weiter zu machen, hat mich beeindruckt. Und macht auch ein klein wenig süchtig.

Ist das Ganze empfehlenswert?

Ganz klar: Ja, auf alle Fälle! Wer sich selber mal etwas außergewöhnlich Gutes tun will, das nichts mit Geld ausgeben zu tun hat, kann mit so einem Schreibtag wirklich viel erleben. Und die Empfehlung für Barbara Pachl-Eberhart in Summe ist auch ein klares Ja! Wer gerne schreibt oder anfangen möchte und dafür einfache, lebensnahe Übungen braucht, ist mit ihren Büchern und speziell „Federleicht“ richtig gut beraten.
Schreib gerne in die Kommentare, wenn du schon einen Schreibtag erlebt hast oder noch Fragen hast und schau gerne hier vorbei, wenn du demnächst mal gemeinsam schreiben möchtest.