Seit ich ein kleines Kind war, hatte ich den Traum, ein kreatives Leben zu führen. Mein Traum war nicht sehr spezifisch, ganz im Gegenteil, alles war möglich. Ich hab mir mich als Malerin vorgestellt und natürlich unzählige Male als Autorin. Ich habe seitenweise Simpsons Figuren gemalt und gedacht ich könnte vielleicht Illustratorin werden. Ich hab selber Schmuck hergestellt, Platzdeckchen und sonstige Kleinigkeiten aus Bügelperlen. Ich hab mir einen Computer aus Papier gebastelt und auf dem wichtige Texte in Gedanken geschrieben.
Als ich dann ein Teenager war – unsicher und oft schlecht drauf – hat sich mein Bild nochmal intensiviert: Ich hab mich gesehen, wie ich mit wilden Locken um den Kopf wirbelnd und tief in großen Gedanken versunken im Café sitze, allein, nur für mich und etwas ganz Tolles entwerfe.
Ich hab so oft daran gedacht. Nur angefangen habe ich nie. Beziehungsweise ich habe gewartet. Auf etwas Großes. Auf einen schicksalhaften Moment, im dem mich eine geniehafte Eingebung trifft und ich sie plötzlich bin, diese Künstlerin, die kreativen Output von bestem Wert jederzeit aus dem Ärmel schüttelt.
Aber Kreativität funktioniert nicht so. Für diese Erkenntnis musste ich 31 Jahre alt werden und 2020 – kurz vor Corona – in meinem ersten Schreibworkshop sitzen. In Worte hätte ich es da auch noch nicht fassen können, aber es war der Anfang: Kreativität ist kein Geniestreich, es ist Handwerk. Und braucht einfach nur Übung.
Viele tolle Frauen, die im writer’s studio und anderso Schreiben nach amerikanischen und ganz und gar anti-autoritären Prinzipien unterrichten sowie ein tiefes, tiefes Recherche-Rabbit Hole später stehe ich jetzt hier, 5 Jahre später, und beginne zu verstehen, wie so ein kreatives Leben gehen könnte. Teaser: Als Künstlerin und Genie immerzu gefeiert werden für die spontanen Geistesblitze, die man einfach so fertig aus dem Ärmel schüttelt ist nicht der erste Schritt. Es geht viel mehr so:
Die einfachste Anleitung für ein kreatives Leben
Der erst Schritt ist, zu beginnen, die Welt richtig intensiv wahrzunehmen. Aufmerksam zu sein, auf die Details und kleinen Geschichten zu schauen, im eigenen Leben, um einen herum, überall wo geht man geht und steht und sich aufhält und Dinge tut und erlebt. Alles ist interessant, sagt Keri Smith. Sie hat so Recht.
Der zweite Schritt ist dann, irgendetwas mit den Eindrücken zu machen. Und nebenbei, im Laufe der Zeit, herauszufinden, was einem am allermeisten Spaß macht. Schreiben, zeichnen, Skulpturen bauen. Tanzen, Musik machen, singen. Kochen, tischlern, schneidern. Und vieles mehr. Es geht ums Experimentieren und Lernen. Jeden Tag wieder.
Schritt 3 für ein kreatives Leben: Einfach nicht mehr damit aufhören.