Manchmal bin ich wirklich furchtbar naiv. Ich glaube zum Beispiel, das alle Kreativen gute, liebe Menschen sind. Dass Schreiben automatisch Schönes bewirkt. Was ich interessanterweise bis vor Kurzem ausgeblendet habe: Auch Propaganda wird geschrieben. Auch schlimme Plakate oder fake-news-Videos entstehen in kreativen Verfahren. Kreativ ist also nicht gleich gut.
Den Anfang hat diese Erkenntnis auf Pinterest genommen. Ich habe ein gesketchtes Set an Kreativ-Leitlinien entdeckt. Sie gefielen mir sofort, ich hab sie ausgedruckt, auf mein Notizbuch außen drauf geklebt und wollte mehr wissen. Nach ein paar Recherche-Klicks lande ich bei Keri Smith und ihren Büchern. Die will ich haben! Der will ich folgen. Ich suche also weiter: Ist sie auf Instagram? Jein, ein alter Account aus der Corona-Zeit, wird aber nicht mehr betreut. Hat sie eine Website? Ja, da ist aber kaum Content drauf. Okay, Substack vielleicht? Ich werde fündig, aktueller Content, Foto nicht eindeutig, aber sie könnte es schön sein. Ich beginne zu lesen, stilistisch interessant, guter Einstieg….und dann wird mir schlecht. Republikanische Propaganda, eine Arte Anti-Aufklärungsaufklärung und Verschwörungsrethorik. Fadenscheinige Herleitungen, warum „die Demokraten“ alle Rassisten und Sexisten sind. Mir wird schwindlig. Ist das die Autorin, deren Zeilen ich mir gerade auf das Notizbuch geklebt habe? Diese durchaus charmante, witzig anmutende Viel-Schreiberin, die den neuen US-Präsidenten und seine Praktiken feiert? Leichte Panik…okay…ich klicke und klicke und klicke und finde – endlich – zurück auf der Website, auf der ich davor schon war einen Blogpost der Kreativ-Autorin Keri Smith, der dem ganzen Perspektive gibt: Ja, da gibt es eine zweite, die den gleichen Namen trägt und recht aktiv Gebrauch von ihrer Stimme macht. Und ja, sie distanziert sich personell und vor allem inhaltlich entschieden von ihr. Puh.
Ich schaue auf mein Notizbuch und bin beruhigter. Kann den Ausdruck mit den Inspirationen, die mich so angesprochen haben, wieder genießen. Aber es bleibt auch das schale Gefühl zurück, dass ich mir die Welt bisher zu einfach gemacht hatte. Wie KI, das Internet allgemein und all die Techniken, die es so gibt, um etwas in die Welt zu bringen ist Kreativität erst mal neutral. Wie und wofür wir sie einsetzen macht den entscheidenden Unterschied. Jetzt erst recht.